Zeichnende Verbände: Deutsche Hochschulmedizin (DHM), KKS-Netzwerk (KKSN), Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa), Bundesverband Medizinischer Auftragsinstitute (BVMA), Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) und Bundesverband Medizintechnologie (BVMed)
Derzeit ist Deutschland für klinische Prüfungen ein noch immer gern genutzter Standort, aber der internationale Wettbewerb wird immer intensiver. Der Standortwettbewerb der Länder um Investitionen in pharmazeutische Forschung und Entwicklung hat enorm angezogen. Pharmazeutische Unternehmen befinden sich ihrerseits im intensiven „Wettrennen“ um die Marktzulassung innovativer Therapien. Sie evaluieren dadurch kritischer als jemals zuvor standortpolitische Rahmenbedingungen, um ihre Investitions- und Ressourcenallokationen zu optimieren. Der Faktor „Zeit“ ist bei der Frage, bestimmte Standorte in eine klinische Prüfung einzubeziehen, entscheidend.
Aktuell zeigt sich jedoch ein besorgniserregender Trend: Deutschland riskiert, bei pharmazeutischer Innovationstätigkeit den Anschluss an andere Spitzenländer zu verlieren. Deutschland ist im Vergleich zu langsam. Ein wichtiger Bereich dabei ist die lange Dauer der Vertragsverhandlungen zwischen Sponsoren klinischer Prüfungen (bzw. zwischengeschalteter CROs) und Prüfzentren. Dies zeigen auch Umfragen von vfa, DHM, KKS-Netzwerk, BMVA und BPI aus dem Jahr 2023 bzw. 2025.
Verbindlich und konkret ausgestaltete Standardvertragsklauseln (StandVKl) sind somit eine wesentliche Grundlage für die spürbare Beschleunigung von Vertragsabschlüssen bei der Durchführung klinischer Prüfungen, wie auch Beispiele aus anderen EU-Mitgliedstaaten zeigen. Daher begrüßen wir den Grundansatz des vorliegenden Kabinettsentwurfs der Verordnung und die darin in Artikel 1 enthaltenen StandVKl ausdrücklich.
In einer gemeinsamen Plattform der hier zeichnenden Verbände, in der beide Seiten der jeweiligen Vertragsparteien (kommerzielle Sponsoren bzw. CROs und akademische Prüfzentren) vertreten sind, haben wir bereits einen Satz von praxiserprobten Mustervertragsklauseln (MVK) spezifisch für die Durchführung klinischer Prüfungen im Auftrag der Industrie erstellt (siehe LINK). Die regelmäßige Erhebung zur MVK-Nutzung unter den Mitgliedern der beteiligten Verbände hat ergeben, dass diese aufgrund ihrer Freiwilligkeit bzw. anderslautender Vertragsentwürfe der globalen Unternehmensführungen noch nicht flächendeckend genutzt werden. Eine Analyse des Einflusses nationaler Vertragstemplates auf die Vertragsverhandlungszeiten in anderen europäischen Ländern (z.B. Spanien, Frankreich) offenbart, dass die Einführung verpflichtender Vertragstemplates mit beschleunigten Vertragsverhandlungen einhergeht. Daher ist es aus unserer Sicht von besonderer Bedeutung, mit dem vorliegenden Verordnungsentwurf eine möglichst umfassende und breite Harmonisierung sowie die Herstellung einer Verbindlichkeit bei der vertraglichen Gestaltung klinischer Prüfungen sicherzustellen.
Der vom Bundeskabinett am 28.05.2025 verabschiedete Entwurf greift in einigen Teilen die grundlegenden Ansätze der breit zwischen den die Vertragsparteien repräsentierenden Verbänden konsentierten und interessenwahrenden Mustervertragsklauseln für klinische Prüfungen von kommerziellen Sponsoren vom November 2023 auf, was wir grundsätzlich begrüßen. Wir wünschen uns aber eine noch stärkere Berücksichtigung der in der Praxis mittlerweile bewährten Mustervertragsklauseln.
Der Ansatz des Kabinettsentwurfs in den StandVKl vom Mai 2025 weist in Artikel 1 zu der Standardvertragsklausel-Verordnung (StandVKlV) bereits einige Verbesserungen im Vergleich zum Referentenentwurf des BMG von Februar 2025 auf. Dazu gehören aus Sicht der Verbändeplattform u.a.:
Trotz dieser positiven Änderungen im Vergleich zum Referentenentwurf des BMG vom Februar 2025 springt der Kabinettsentwurf vom Mai 2025 an einigen wesentlichen Stellen zu kurz. Änderungsvorschläge und gewünschte Konkretisierungen, wie sie bei den Mustervertragsklauseln bereits im beiderseitigen Vertragskontext ausgehandelt wurden, betreffen zum Beispiel die folgenden Punkte:
Der Kabinettsentwurf sollte eine mögliche Nutzung der Standardvertragsklauseln in zweiseitigen CRO-Prüfzentrumsverträgen und dreiseitige Verträge zwischen Sponsoren, CROs und Prüfzentren bereits in der aktuellen Formulierung ermöglichen. Trotzdem wäre eine deutlichere Formulierung hilfreich, z.B.:
Textvorschlag für §1 (4) (neu): „Für die in §1 (1) definierten vertraglichen Regelungen werden die in Anlage 1 genannten Standardvertragsklauseln auch für solche vertragliche Regelungen festgelegt, die zur Durchführung einer klinischen Prüfung vereinbart werden, die neben dem oder anstelle des Sponsors einen Beauftragten (z.B. CRO) als Vertragspartei einbeziehen.“
Oder als alternativer Textvorschlag zur Klarstellung in §1 Abs. 1 „Für die vertragliche Regelung zwischen Sponsor und / oder seines Beauftragten und Prüfzentrum betreffs einzelner Rechte und Pflichten des Sponsors und des Prüfzentrums bei der Durchführung einer klinischen Prüfung im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 Nummer 2 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 in der Fassung vom 6. September 2022 werden die in den Anlagen 1 und 2 genannten Standardvertragsklauseln festgelegt.“
Kritisch zu sehen ist insbesondere die Anwendungsbestimmung in Artikel 1 § 3 StandVKlV: Die Vorgaben der StandVKlV sollen danach für alle Verträge gelten, die „nach dem Tag des Inkrafttretens der Verordnung geschlossen werden“. Das ist aus unserer Sicht nicht praxisgerecht und ein kritischer Aspekt, der für den Studienstandort Deutschland nicht hilfreich ist. Diese Formulierung würde bedeuten, dass auch unterschriftsreife Verträge dann mit Blick auf die StandVKlV komplett neu aufgesetzt werden müssten – nur weil ggf. die Unterschriften noch fehlen. Daher sollte die Anwendungsbestimmung besser darauf abstellen, dass alle zu diesem Zeitpunkt begonnenen Vertragsverhandlungen nicht unter die Vorgaben der StandVKlV fallen.
Weiterhin fehlt ein Verzicht auf das negative Publikationsrecht nach Arbeitnehmererfindungsgesetz in Anlage 1 Nr. 2 zu den „Rechten an Ergebnissen“. Hierzu haben sich im aktuellen Text keine Änderungen im Vergleich zum Referentenentwurf des BMG ergeben. Im Gegenteil wird nochmals explizit im Artikel 1 § 1 Abs. 3 des Entwurfs der StandVKlV darauf verwiesen, dass die „Vorgaben des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen unberührt“ von der Verordnung bleiben. Der Verzicht auf das negative Publikationsrecht gemäß § 42 Nr. 2 Arbeitnehmererfindungsgesetz (ArbnErfG) gegenüber dem Auftraggeber der Studie ist eine wichtige Grundvoraussetzung, die die Verbände deshalb gemeinsam in die Mustervertragsklauseln mit einer entsprechenden Formulierung aufgenommen haben. Diesem Ansatz aus den Mustervertragsklauseln sollte im Sinne der Rechtssicherheit für die Ausrichter klinischer Prüfungen gefolgt werden. Dies wäre im Sinne der internationalen/globalen Wettbewerbsfähigkeit des Studienstandortes Deutschland von besonderer Bedeutung.
In Anlage 1 Nr. 3 zu „vertraulichen Daten“ fehlt eine klare Vorgabe zur Löschung vertraulicher Daten durch das Prüfzentrum auf entsprechendes Verlangen des Auftraggebers. Eine entsprechende Formulierung findet sich in den bestehenden Mustervertragsklauseln und sollte analog in diese Standardvertragsklauseln übernommen werden.
Die Formulierung in Anlage 1 Nr. 5 „überlassene Geräte und Materialien“ ist aktuell nicht umfassend und sollte um weitere Aspekte aus dem Referentenentwurf ergänzt werden, um eine praxistaugliche und zielführende Formulierung sicherzustellen. Dabei geht es insbesondere um die alternative Möglichkeit von Vereinbarungen der Vertragsparteien, die es ermöglichen, entweder den Erwerb der überlassenen Geräte oder Materialien zu einem marktüblichen Preis durch das Prüfzentrum zu ermöglichen oder eine Vernichtung von Materialien vorzusehen.
Die Formulierung in Anlage 1 Nr. 7 „Haftung“ ist aktuell nicht umfassend und sollte um weitere Aspekte aus den Mustervertragsklauseln ergänzt werden. So fehlt im Kabinettsentwurf eine Regelung, die sicherstellt, dass diese Haftungsregelungen auch für Vertreter und Erfüllungsgehilfen der Vertragsparteien gelten.
Auch bei der Anlage 1 Nr. 10 „Beendigung und Kündigung“ ist aktuell die Formulierung nicht umfassend und sollte um weitere Aspekte aus den Mustervertragsklauseln ergänzt werden, um eine praxistaugliche und zielführende Formulierung sicherzustellen. Dabei geht es insbesondere um die zu leistenden Zahlungen im Falle einer vorzeitigen Kündigung.
Für die Messung von Effektivität und Effizienz der Verordnung als Beitrag zu einer erfolgreichen Umsetzung der Pharmastrategie der Bundesregierung, ist der Ansatz einer Evaluierung grundsätzlich wichtig. Daher sollten Vorgaben dahingehend ergänzt werden, dass in zweijährlichen Abständen nach dem Inkrafttreten der Verordnung die Praxistauglichkeit und Aktualität der Klauseln kontinuierlich evaluiert wird. Anschließend soll spätestens nach 4 Monaten nach Start der Evaluation jeweils das Ergebnis der Evaluation vorliegen und nach spätestens 6 Monaten Schritte zur Anpassung der Verordnung auf der Grundlage der Ergebnisse umgesetzt werden. Nachfolgend müssen auch diese Schritte dieser regelmäßigen Evaluation unterzogen werden. Dies sollte in der Verordnung direkt verpflichtend vorgegeben werden.
Zur Erhöhung der Akzeptanz der StandVKl bei Vertragspartnern, die international aufgestellt sind, sollten die StandVKl unbedingt in einer englischsprachigen Version vom BMG zur Verfügung stehen, die parallel zur regelmäßigen Überarbeitung des deutschen Textes entsprechend angepasst wird. Spätestens mit der Verkündung der Verordnung sollte neben der deutschsprachigen Version zumindest eine englischsprachige Version vom BMG zur Verfügung gestellt werden – auch wenn die deutsche Sprachfassung grundsätzlich maßgeblich ist. Ein Großteil der klinischen Prüfungen in Deutschland wird von Sponsoren mit Sitz außerhalb Deutschlands bzw. der EU durchgeführt. Insbesondere diese Sponsoren sind auf eine englische Sprachversion zumindest der Anlagen angewiesen, schon allein, damit deren global agierende Juristen die rechtlichen Vorgaben in Deutschland verstehen und umsetzen können. Fehlen solche Sprachversionen, beeinträchtigt das die Attraktivität unseres Forschungsstandorts. Dabei wäre ein Disclaimer sachgerecht, der klarstellt, dass jeweils die deutsche Sprachversion die offizielle Version ist – dies folgt dem Beispiel der Übersetzung des AMG unter www.gesetze-im-internet.de.
Weiterhin möchten wir darauf hinweisen, dass der Ansatz der StandVKIV im „Entwurf der Verordnung zur Vereinfachung der Durchführung klinischer Prüfungen“ grundlegend in eine richtige Richtung weist, aber weiterhin die Umsetzung der analogen rechtlichen Vorgabe aus dem Medizinforschungsgesetz zum Bereich der Medizinprodukte, die dem MPDG unterliegen, fehlt. Da der Verhandlungskontext bei diesen Studien sehr ähnlich ist, können die Standardvertragsklauseln für AMG-Studien mit geringfügigen Anpassungen für MPDG-Studien übernommen werden. Die beteiligten Verbände haben bereits gemeinsam mit dem BVMed gezeigt, wie dies zu realisieren wäre, indem sie einen MVK-Entwurf erstellt haben, der in großer Analogie für Medizinprodukte-Studien anwendbar wäre. Die Dringlichkeit einer solchen analogen Vorgabe unterstreichen sowohl die zunehmende Anzahl von Kombinationsprodukten aus Arzneimittel und Medizinprodukt als auch der personalisierten Medizin mit zugehörigem Diagnostikum. Insofern ist auch die Einleitung der Begründung des Verordnungstextes um die Bedeutung von Medizinprodukten und In-vitro-Diagnostika sowie die der klinischen Prüfungen bzw. Leistungsstudien mit ihnen zu ergänzen.
Für die breite Anwendung der Standardvertragsklauseln und die Vermeidung verzögernder Diskussionen im Detail wäre eine inhaltliche Vollständigkeit von besonderer Bedeutung. In der Begründung sind aktuell Anwendungshinweise enthalten, doch wird die Begründung in den wenigsten Fällen „mitgelesen“ und auch nicht mit dem finalen Text der Verordnung im Bundesgesetzblatt publiziert. Besser wäre daher eine klare Angabe von konkreten Anwendungshinweisen in der Verordnung selbst, analog dem Ansatz der Mustervertragsklauseln.
Anmerkung zu Artikel 2:
Hinsichtlich der Vorgaben in Artikel 2 zur Änderung der Klinische Prüfung-Bewertungsverfahren-Verordnung (KPBV) möchten wir zusätzlich anregen, dass in Artikel 2 des Kabinettsentwurfs unbedingt die Möglichkeit genutzt werden sollte, nicht nur bei Erstanträgen (initial submissions) für mononationale klinische Prüfungen eine verkürzte Bearbeitungszeit festzulegen, wie dies durch das Medizinforschungsgesetz bereits erfolgt ist, sondern eine entsprechende Fristverkürzung durch eine Formulierung in Artikel 9 der KPBV zu verankern, dass diese Fristverkürzung auch für substanzielle Änderungen (substantial modifications/amendments) bei mononationalen klinischen Prüfungen gilt.
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